Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), von der in Deutschland mehr als 250.000 Menschen betroffen sind. Der Verlauf der MS kann sehr variabel sein und ist schwer vorherzusagen. Durch den frühzeitigen Beginn medikamentöser Therapien soll der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden. Derzeit stehen zur Immuntherapie der MS verschiedene Medikamente zur Verfügung, die sich in der Wirksamkeit und ihren Nebenwirkungen unterscheiden. Meist zeigt sich erst im Verlauf der Erkrankung, welches Medikament am besten für die Behandlung der jeweiligen Patientinnen und Patienten geeignet ist. Die Empfehlung, ob und mit welchem Medikament zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine Therapie begonnen werden soll, ist aktuell maßgeblich von der Einschätzung des behandelnden Arztes beziehungsweise der behandelnden Ärztin abhängig.

Einheitliche standortübergreifende Datenerfassung

Mit der Medizininformatik-Initiative (MII), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), sollen die Voraussetzungen für eine einheitliche und standortübergreifende Datenerfassung geschaffen werden, um zukünftig objektive Therapieentscheidungen basierend auf einer breiten Datenlage treffen zu können. Dazu haben sich Universitäten mit ihren Universitätsklinika und weiteren, auch klinischen Partnern deutschlandweit zu vier Konsortien zusammengeschlossen.

„Wenn wir unsere Daten und Prozesse in der Routineversorgung über die Universitätsklinken standardisieren und diese für die Forschung nutzbar machen, werden wir entscheidende Fortschritte im Verständnis und in der Behandlung der Multiplen Sklerose erzielen.“


Prof. Bernhard Hemmer
Direktor der Klinik für Neurologie
Klinikum rechts der Isar

Prof. Hemmer, Copyright: TU Neurologie

Der Anwendungsfall (Use Case) MS wird im Rahmen von DIFUTURE (Data Integration for Future Medicine – Datenintegration für zukünftige Medizin), eines der vier Konsortien der Medizininformatik-Initiative, aktuell an fünf MS-Zentren in Deutschland parallel durchgeführt: in München am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München sowie am Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität, am Universitätsklinikum Tübingen, am Universitätsklinikum Augsburg und am Universitätsklinikum Ulm.

Im Rahmen des Use Case MS werden alle Routinedaten einer Patientin beziehungsweise eines Patienten, die im Zuge der medizinischen Abklärung erhoben wurden (z.B. kernspintomographische Daten, Laboruntersuchungen, klinische Untersuchungen, Fragebögen), standardisiert erfasst und ausgewertet.

Ziel: bestmögliche Therapieentscheidung

Use Case DIFUTURE Imagebild. Copyright: iStock.com/Cecilie_Arcurs

Ziel der Studie ist es, durch ein Zusammenführen dieser klinischen Routinedaten ein aussagekräftiges Vorhersageinstrument für Patientinnen und Patienten mit früher MS zu etablieren. Die zukünftige Zuhilfenahme dieses Instruments zur Prognosestellung des mittel- und langfristigen Krankheitsverlaufs soll dazu beitragen, direkt zu Beginn der Erkrankung die für die Patientin oder den Patienten bestmögliche Therapieentscheidung zu treffen.

Die Datenerhebung erfolgt mittels standardisierter und strukturierter Untersuchungsverfahren, deren Ergebnisse direkt klinischen Analysen zur Verfügung gestellt werden. Die gesamte Organisation übernimmt das Studienzentrum. Die Untersuchungen und Probenentnahmen finden im Rahmen der für die MS-Versorgung ohnehin notwendigen Vorstellungstermine statt. In diesem Rahmen werden klinische und apparative Daten erhoben. Diese umfassen Informationen über den Erkrankungsverlauf, neurologische Standarduntersuchungen und Tests, Fragebögen, standardisierte MRTs und Bioproben.

Dieses medizinisch-wissenschaftliche Forschungsvorhaben zielt durch die Nutzung routinemäßig erhobener, standardisiert erfasster Parameter auf eine Verbesserung des Verständnisses des Krankheitsverlaufs bei Patientinnen und Patienten nach der Diagnosestellung einer MS-Erkrankung ab. Durch eine frühe und bessere Prognosestellung auf Basis des entwickelten Vorhersageinstruments soll für jede Patientin und jeden Patienten die individuell beste Therapieentscheidung getroffen werden.

Info-Box:

Weitere Informationen über die beteiligten Institutionen:

Use-Case-Leitung:

Use Case MS - Hemmer
Prof. Bernhard Hemmer
Direktor der Klinik für Neurologie
Klinikum rechts der Isar
Use Case MS - Havla
PD Dr. Joachim Havla
Oberarzt Institut für Klinische Neuroimmunologie
LMU Klinikum der Universität München
Use Case MS - Kowarik
PD Dr. Markus Kowarik
Leiter der Neuroimmunologischen Ambulanz
Universitätsklinikum Tübingen
Use Case MS - Antonios
PD Dr. Antonios Bayas
Leiter der Sektion Klinische Neuroimmunologie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Augsburg
Use Case MS - Tumani
Prof. Hayrettin Tumani
Leiter der MS-Sprechstunde Neurologische Uniklinik Ulm
Use Case MS - Senel
Dr. Makbule Senel
Leiterin der MS-Sprechstunde
Neurologische Uniklinik Ulm
Use Case MS - Hoffmann
Dr. Verena Hoffmann
Leitung DIFUTURE Analysegruppe LMU, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie