Jede Behandlung mit Antibiotika kann dazu führen, dass Krankheitserreger Resistenzen entwickeln. Ein gezielter Umgang mit Antibiotika ist daher entscheidend, um eine Über- und Untertherapie zu vermeiden. Gleichzeitig sind Blutstrominfektionen einschließlich Sepsis ein weit verbreitetes Problem in Krankenhäusern, wobei die angemessene Verabreichung von Antibiotika eine besondere Herausforderung darstellt.

Infektionen durch Staphylokokken verantwortungsvoll therapieren

Use Case HELP © UKJ A. Schroll

Je öfter Patientinnen und Patienten mit einem Antibiotikum in Kontakt kommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Resistenzen entstehen. Die Folge: Antibiotikatherapien schlagen nicht mehr an und das Risiko für arzneimittelbedingte Nebenwirkungen steigt. Ein zielgerichteter Einsatz von Antibiotika hingegen kann die Sterblichkeit bei Blutstrominfektionen durch das Bakterium Staphylococcus Aureus um bis zu 50 Prozent reduzieren.

Bei einem Nachweis von Staphylokokken in der Blutkultur ist die medizinische Bedeutung des Befunds allerdings häufig fraglich. In 75 Prozent der Fälle handelt es sich dabei nicht um eine Infektion, sondern um eine Verunreinigung der Blutkultur durch Koagulase-negative Staphylokokken, die Bestandteil der normalen Hautflora sind. Dennoch werden bei diesem Staphylokokken-Nachweis im klinischen Alltag oft Antibiotika verabreicht.

Die im Rahmen des SMITH-Konsortiums entwickelte HELP-App unterstützt Ärztinnen und Ärzte bei der gezielten Diagnose und Therapie von Staphylokokken-Blutstrom-Infektionen und begleitet sie beim verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika.

HELP-App unterstützt leitliniengerechte Antibiotikatherapie

Im HELP-Projekt wurde von 2020 bis 2022 an fünf deutschen Universitätskliniken in Aachen, Essen, Halle, Jena und Leipzig eine Studie durchgeführt. Die Federführung lag beim Universitätsklinikum Jena. Das Projekt verlief in zwei Stufen: In der ersten Ausbaustufe stand Klinikerinnen und Klinikern das HELP-Manual als elektronisches Handbuch zur Verfügung. Dieses lieferte leitliniengerecht Informationen zu Diagnose und Therapie von Blutstrominfektionen mit Staphylokokken und konnte als App auf stationären und mobilen Geräten verwendet werden. In der zweiten Stufe sollte die nachhaltige Entwicklung der HELP-App als Medizinprodukt nach der Europäischen Verordnung für Medizinprodukte erfolgen.

Von August 2020 bis Ende Oktober 2022 haben alle fünf Universitätskliniken mit dem HELP-Manual gearbeitet, wobei mehr als 130 Stationen und über 7.800 Patientinnen und Patienten in die Studie eingeschlossen waren. Zur Nutzung des HELP-Manuals läuft aktuell an allen teilnehmenden Standorten eine digitale Umfrage. Die Ergebnisse der Umfrage sollen in eine Veröffentlichung der Gesamtergebnisse der HELP-Studie einfließen.

Bereitstellung der medizinischen Routinedaten durch die Datenintegrationszentren wurde demonstriert

Ein weiteres Ziel von HELP war es, die Funktionalität der im Rahmen von SMITH etablierten Datenintegrationszentren (DIZ) zu validieren. Dabei wurden Routinedaten aus der Krankenversorgung erschlossen, in ihrer Qualität gesichert und in anonymisierter Form für die Studienauswertung verwendet. An den DIZ wurden diese für die Studie erforderlichen Daten in ein interoperables Format überführt und für die Forschung nutzbar gemacht. Das interoperable Datenformat basiert auf dem Standard HL7 FHIR und dem Kerndatensatz der Medizininformatik-Initiative. Vor allem die Extraktion der Daten aus den heterogenen IT-Primärsystemen der Krankenversorgung und deren Bereitstellung in FHIR erwiesen sich als Herausforderung.

Die im HELP-Projekt gewonnenen Erfahrungen in der Entwicklung von Entscheidungsunterstützungssystemen werden derzeit evaluiert. Diese fließen in das Projekt „fit4translation“ ein, das u. a. regulatorische Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Medizinprodukten adressiert.

Zitat von Prof. Dr. Scherag

Lesen Sie mehr zu den Ergebnissen aus dem Use Case HELP:

  • Hagel S, Gantner J, Spreckelsen C, Fischer C, Ammon D, Saleh K, Phan-Vogtmann LA, Heidel A, Müller S, Helhorn A, Kruse HM, Thomas E, Rißner4 F, Haferkamp S, Vorwerk J, Deffge S, Juzek-Küpper MF, Lippmann N, Lübbert C, Trawinski H, Wendt S, Wendt T, Dürschmid A, Konik M, Moritz S, Tiller D, Röhrig R, Pletz M, Scherag A: A hospital-wide electronic medical record-based computerized decision support system to improve outcomes of patients with staphylococcal bloodstream infection (HELP). Study protocol for a multicenter stepped-wedge cluster randomized trial. BMJ Open 2020;10(2):e033391. DOI:10.1136/bmjopen-2019-033391
     
  • Scherag A, Alaid S, Ammon D, Brandes J, Dürschmid A, Fortmann J, Friebel K, Hagel S, He D, Hetfeld P, Geihs S, Ihle R, Kahle S, Koi V, Konik M, Kretzschmann F, Kruse H, Lippmann N, Lübbert C, Marx G, Mikolajczyk R, Moritz S, Müller C, Müller S, Palm J, Pérez Garriga A, Pethukova J, Pietzner D, Popp M, Rebenstorff M, Renz J, Rißner F, Röhrig R, Saleh K, Schlöcker A, Schönherr S, Spreckelsen C, Stahlmann J, Stolz A, Thon S, Thomas E, Tiller D, Wendt S, Wendt T, Winnekens P, Witzke O, Pletz M: Use Case HELP ‒ Nutzung der Datenintegrationszentren für eine Evaluationsstudie und vorläufige Ergebnisse. In: Science Day 2022:Abstractbook|23.11.2022; ISBN:978-3-00-074019-0
     
  • Pérez Garriga A, Fortmann J, Röhrig R, Majeed R W, Lipprandt M: Entwicklung eines CDSS im akademischen Bereich im Rahmen der Medical Device Regulation. In:Science Day 2022:Abstractbook|23.11.2022; ISBN:978-3-00-074019-0
     
  • Pérez Garriga A, Fortmann J, Spreckelsen C, Scherag A, Majeed RW, Röhrig R, Lipprandt M: The European medical device regulation - Lessons learned from SMITH-HELP. In: 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF)., 21.-25.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAbstr. 62. DOI: 10.3205/22gmds041