Obwohl geschätzt wird, dass von Seltenen Erkrankungen (SE) in Deutschland rund 4 Millionen Menschen (5 % der Bevölkerung) betroffen sind, gelten die davon Betroffenen als die Waisenkinder der Medizin und der MII. Daher fordert das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE), dass die Digitalisierung der Krankenversorgungs‐ und Gesundheitssysteme dieser großen Bevölkerungsgruppe in besonderem Maße zu Gute kommen muss.
Die große Herausforderung bei den SE ergibt sich aus der Vielzahl sehr verschiedener „Störungen“ und „Subtypen von Störungen“ (von bis zu 10.000 ist die Rede) mit jeweils nur kleinen Fallzahlen je „Störung“.
Regelmäßig ergeben sich bei SE – insbesondere bei Ultraseltenen – vor der Feststellung der eigentlichen Diagnose jahrelange diagnostische Ungewissheiten, die auch Fehlbehandlungen mit sich bringen. Aber auch nach der Feststellung der Diagnose kann nur für rund 5 % der Patient:innen eine gezielte Therapie angeboten werden, weswegen weitere koordinierte Forschung für die verstreut versorgten kleinen Gruppen besonders wichtig ist.
Als Anfang der Verbesserungsprozesse darf die Sichtbarmachung der Personen mit SE mittels exakter Kodierung der SE-Diagnosen durch ORPHAcodes aus der Orphanet Rare Disease Ontology (ORDO) angesehen werden. Diese ergänzt die gröbere ICD-Klassifizierung und -Kodierung der Diagnosen für das Segment der SE. Laut Robert Koch-Institut (RKI) und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stärkt die Sichtbarmachung der SE die Möglichkeiten der Diagnostik- und Therapieentwicklung sowie der IT-Unterstützung von Diagnose und Therapiewahl.
Die Orpha-Kodierung ist bereits im Modul DIAGNOSE als mögliche Ergänzung zur ICD-Kodierung eingerichtet worden. Die Aufnahme in das Modul SE unterstreicht die Bedeutung der exakten Kodierung als Dreh- und Angelpunkt der weiteren SE-Elemente im MII KDS im Allgemeinen und im Modul SE im Besonderen.
Wie die anderen Implementierungsleitfäden (IG) der Module des MII-KDS soll das Modul Seltene Erkrankungen in den Datenintegrationszentren bei der Aufbereitung von vorhandenen Patientendaten aus dem Versorgungskontext unterstützen. Das Erweiterungsmodul baut bewusst auf bereits vorhandenen Modulen des MII-KDS auf. Bereits modellierte Datenelemente und Strukturen werden, wo möglich, wiederverwendet, anstatt sie zu duplizieren. Das Erweiterungsmodul SE versteht sich im Wesentlichen als themenspezifisches „Kompositum (Zusammensetzung)“, das verschiedene relevante Datenelemente aus unterschiedlichen Modulen mit kleinen Ergänzungen integriert, ohne die zugrunde liegenden Module vollständig zu übernehmen oder abzulösen. Es wurde wegen inhaltlicher Überschneidungen von Merkmalen eine merkliche Überlappung mit Implementierungsregeln der Module DIAGNOSE, SYMPTOM/PHÄNOTYP und MOLEKULARGENETIK umgesetzt.
Für eine umfassende Beschreibung Seltener Erkrankungen sind neben den im SE-Modul adressierten Inhalten weitere Module des MII-KDS relevant, u. a. Labor, Molekulargenetischer Befund und PROMs. Perspektivisch sind zudem weitere Erweiterungsmodule (z. B. Fallkonferenz im Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE), Neugeborenenscreening) sinnvoll. Das vorliegende SE‑Modul ist jedoch bewusst schlank gehalten und fokussiert auf die wiederverwendbare Integration bereits modellierter Datenelemente, um Implementierbarkeit und Interoperabilität zu erleichtern.
Zugleich soll das Modul SE als Anleitung zu einer einheitlichen, semantisch interoperablen, standardisierten EU-konformen SE-Dokumentation an Klinischen Arbeitsplätzen dienen, was sich auch in dem Synonym „Deutscher Minimalbasisdatensatz für Seltene Erkrankungen (MBDS-SE.de)“ ausdrückt, wodurch die semantische Nähe zum französischen „Set de données minimal national maladies rares (SDM-MR.fr)“ und zum Set of Common Data Elements der Europäischen ERN-Register (ERDRI CDS.eu)“ angezeigt wird.
Die gemäß Modul SE an klinischen Arbeitsplätzen erhobenen und in Datenintegrationszentren aufbereiteten Daten sollen: