Warum ist SNOMED CT für die medizinische Forschung wichtig?

Wenn Gesundheitsdaten ausgetauscht und ausgewertet werden, muss eindeutig sein, was mit bestimmten Begrifflichkeiten aus der medizinischen Dokumentation ausgedrückt wird. Nur eindeutige medizinische Informationen liefern bei digitalen Analysen zuverlässige Ergebnisse.

  • Beispiel Begriffsverwechslung: Ob zum Beispiel mit der Abkürzung „HWI“ ein Harnwegsinfekt oder ein Hinterwandinfarkt am Herzen gemeint ist, muss klar sein, bevor Computerprogramme mit den Daten arbeiten. Hierzu braucht es eindeutige Codes und notwendige Kontextinformationen. Zwar bestehen in einigen Bereichen schon heute fachliche Codesysteme, diese sind jedoch über ihren ursprünglichen Kontext hinausgehend mitunter lückenhaft und widersprüchlich. Mit Nomenklaturen wie SNOMED CT ist eine solch eindeutige Codierung möglich.
  • Beispiel „Zwei Namen für dieselbe Sache“: SNOMED CT ist auch wichtig, um inhaltlich identische, aber sprachlich in der ärztlichen Dokumentation unterschiedlich formulierte Beschreibungen desselben medizinischen Sachverhalts zu vereinheitlichen:  beispielsweise eines Wirbelbruchs in den Varianten „Dornfortsatzfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers“ versus „Fraktur des Processus Spinosus LWK I“. Mit SNOMED werden diese Begriffe in eindeutige und zudem international einheitlich definierte Codes überführt.

Doch nicht nur zum „Lückenschließen“ zwischen bestehenden Codiersystemen (Katalogen) und zur automatisierten „Übersetzung“ bereits strukturiert vorliegender Information benötigt man SNOMED CT. Möchte man Freitexte wie z.B. Arztbriefe  automatisiert analysieren, ist die treffende „Übersetzung“ in computerlesbare Einheiten durch SNOMED CT gewährleistet.

Denn die Aufbereitung natürlichsprachlicher (freitextlicher) Information zur Datenanalyse erfordert zwingend ein Terminologiesystem mit starker Fähigkeit zur sog. Postkoordination: D.h. freitextlich formulierte Informationseinheiten können, in ihre terminologischen Bausteine zerlegt, in einzelne Codes überführt werden, die in ihrer Gesamtheit genau den freitextlichen formulierten Begriff repräsentieren – ohne dass diese Information bereits „vorgedacht“ in einem Katalog existieren muss. Gerade diesbezüglich ist SNOMED CT weitgehend konkurrenzlos und daher als grundlegende Referenzterminologie für die Digitalisierung in der medizinischen Forschung wie in der Patientenversorgung sehr geeignet.

Warum ist SNOMED CT als internationales System wichtig? Reicht nicht eine deutsche Lösung?

Die internationale Standardisierung ist deshalb wichtig, da für die internationale Wissenschaftskooperation eine fehlerfreie Übersetzung von einer Sprache in die andere und damit eine sprachunabhängige korrekte Datenzusammenführung möglich sein muss.

Warum wurde SNOMED CT im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MII) in Deutschland eingeführt?

Das Nationale Steuerungsgremium (NSG) der MII hat bereits während der Konzeptphase zum MII-Aufbau im Dezember 2016 die Festlegung getroffen, dass für eine auch international anschlussfähige terminologische Normierung der Routinedaten für Forschungszwecke die Nutzung des international anerkannten Terminologiestandards SNOMED CT unerlässlich sei. SNOMED CT wird herausgegeben von der Non-Profit-Organisation SNOMED International; Nutzungs- und Mitwirkungsrechte erwirbt man durch nationale Mitgliedschaften in dieser Organisation. Bis dato hatte Deutschland diese Mitgliedschaft nicht vollzogen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat daher mit Unterstützung der MII-Koordinationsstelle mit SNOMED International eine Sondervereinbarung für eine bis zu dreijährige Pilotphase ausgehandelt. Auf dieser Basis ist seit Mitte März 2020 SNOMED CT über die MII erstmals in Deutschland verfügbar; die Lizenzgebühren hat in dieser Phase das BMBF getragen. Als Teilnehmer der MII haben nahezu alle deutschen Universitätskliniken und weitere Partner der Initiative (Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen) eine SNOMED CT-Lizenz erhalten. Die TMF, Sitz der MII-Koordinationsstelle, fungierte im Rahmen dieser Pilotphase als National Release Center.

Wer verwaltet die SNOMED CT-Lizenz in Deutschland?

Seit dem 01.01.2021 ist Deutschland Mitglied bei SNOMED International, sodass die Pilotphase vorzeitig zu diesem Zeitpunkt beendet worden ist. Die Funktion des National Release Centers übernimmt seitdem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), welches nunmehr die Sublizenzen für deutsche SNOMED CT-Nutzer herausgibt. Die Nationallizenz ermöglicht ein nahtloses Weiterarbeiten mit SNOMED CT auch über die Pilotphase hinaus.

Wer kann SNOMED CT nutzen?

Für die Nutzung von SNOMED CT ist eine Lizenz erforderlich. Alle im deutschen Gesundheitswesen beteiligten Institutionen und Fachkreise wie z.B. Softwarehersteller, Kliniken, Labore, Forschungsorganisationen, die SNOMED CT in ihren Anwendungen nutzen möchten, können beim BfArM eine kostenfreie Lizenz beantragen. Das BfArM wird mit kostenfeien Schulungen und Informationen rund um SNOMED CT umfassende Unterstützung zum Start der Implementierung bieten.

Wo bekomme ich fachliche Unterstützung, wenn ich mit SNOMED CT arbeiten möchte?

Fragen zu SNOMED CT beantwortet das BfArM. Bei Fragen können sich die Nutzer auch an die TMF wenden, die Hilfestellung durch Experten in ihrer Mitgliedschaft und in den MII-Gremien (insbesondere aus der AG Interoperabilität der MII) vermitteln wird. Weiterhin ist Expertise in den Standardisierungsorganisationen verfügbar; verwiesen sei hierbei insbesondere auf das gemeinsame Interoperabilitätsforum von HL7 und IHE Deutschland. Auch bietet SNOMED International eine eLearning Plattform an.