Berlin, 07.02.2023. Im Januar 2023 ist die Medizininformatik-Initiative (MII) in die Ausbau- und Erweiterungsphase übergegangen, die bis 2026 läuft. Ziel ist, die Digitalisierung in der Gesundheitsforschung weiter voranzubringen. Die Zusammenarbeit zwischen den Universitätskliniken soll ausgebaut und um neue Partner erweitert werden, insbesondere aus der regionalen Versorgung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die MII in dieser Phase mit rund 200 Millionen Euro.

Seit 2018 wurden sogenannte Datenintegrationszentren (DIZ) bundesweit an den universitätsmedizinischen Standorten aufgebaut. In diesen Zentren sollen Versorgungsdaten datenschutzgerecht für die medizinische Forschung bereitgestellt werden. In neuen klinischen Anwendungsfällen (Use Cases) der MII wird die Funktionsfähigkeit der DIZ nun überprüft und weiterentwickelt. Zukünftig sollen neben Daten der Kliniken auch Daten der Krankenkassen, medizinischer Register und aus dem ambulanten Sektor in die DIZ integriert und für die Forschung nutzbar gemacht werden können.

Die folgenden acht klinischen Use Cases werden gefördert:

  1. ACRIBiS: Zur Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nutzen Ärztinnen und Ärzte sogenannte Risikoscores für die individuelle Risikoabschätzung der Patientinnen und Patienten. Im Projekt soll die kardiologische klinische Routinedokumentation standortübergreifend strukturiert und standardisiert werden. Zudem soll die Infrastruktur zur automatisierten Analyse von Biosignaldaten, wie dem EKG, ausgebaut und in die DIZ-Infrastruktur an den Kliniken integriert werden. Mit diesen Datenquellen sollen Risikomodelle verbessert werden, die Entwicklung und Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorhersagen können und zukünftig so eine bessere Behandlung unterstützen.
     
  2. CALM-QE: Um Patientinnen und Patienten mit Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) besser diagnostizieren und individuell behandeln zu können, sollen die Einflussfaktoren der Krankheitsbilder und ihre Interaktionen besser verstanden werden. Mit künstlicher Intelligenz und Machine Learning sollen multidimensionale Modelle entwickelt werden, um   das   Risiko   für   wichtige   klinische   Ergebnisparameter vorherzusagen.
     
  3. EyeMatics: Das Projekt will klinische Daten von Patientinnen und Patienten mit häufig auftretenden Augenkrankheiten, die eine IVOM-Therapie (intravitreale operative Medikamenteneingabe) erhalten, für die wissenschaftliche Auswertung zugänglich machen, um den Therapieerfolg zu verbessern. Bei der intravitrealen Injektion wird ein Medikament direkt in den Glaskörper des Auges verabreicht. Dadurch soll das Sehvermögen erhalten oder verbessert werden. Für EyeMatics soll eine Analyseplattform bereitgestellt werden, um Daten aus verschiedenen stationären und ambulanten Versorgungssystemen zu integrieren.
     
  4. INTERPOLAR: Wenn Patientinnen und Patienten viele unterschiedliche Medikamente verwenden, können Arzneimittelwechselwirkungen auftreten. Ziel von INTERPOLAR ist, diese automatisiert zu erkennen, um unerwünschten Wirkungen vorzubeugen. Um dies zu erreichen, werden Patientinnen und Patienten mit besonders hohem Risiko für Medikationsfehler und Nebenwirkungen identifiziert. So können die limitierten Ressourcen an Stationsapothekerinnen und -apothekern auf die Risikopatientinnen und -patienten gelenkt werden, um einen maximalen Patientennutzen zu erreichen.
     
  5. PCOR-MII: Das Projekt soll dazu beitragen, dass der subjektive Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten („Patient Reported Outcome“) in allen deutschen Universitätskliniken mit Hilfe von Fragebögen auf einfache Weise gemessen und zusammen mit Outcome-relevanten klinischen Parametern ausgewertet werden kann. Der Nutzen dieser systematischen Erfassung soll anhand von drei klinischen Beispielen untersucht werden: Patientinnen und Patienten mit Anorexia nervosa (Magersucht), mit dauerhaften körperlichen Beschwerden und nach Nierentransplantation.
     
  6. PM4Onco: Das Projekt zielt darauf ab, eine dauerhafte Infrastruktur zu schaffen, um Daten aus klinischer und biomedizinischer Forschung zu integrieren und auszutauschen. Damit soll die Grundlage zur Etablierung der personalisierten Medizin in der Krebsbehandlung gelegt werden.
     
  7. RISK PRINCIPE: Ziel ist es, eine datengesteuerte, risikostratifizierte Infektionskontrolle zu entwickeln und umzusetzen, um die Zahl der im Krankenhaus auftretenden Bakteriämien (Anwesenheit von Bakterien im Blutkreislauf) möglichst effektiv und effizient zu reduzieren. Dazu soll ein automatisiertes Überwachungssystem eingerichtet und validiert werden.
     
  8. Somnolink: Treten Atempausen (Apnoen) im Schlaf mehr als fünfmal in der Stunde auf, dann spricht man von einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA). Somnolink will die patientenzentrierte Diagnose und Behandlung von OSA optimieren. Insbesondere bei Frauen soll OSA besser erkannt werden. Außerdem sollen Entscheidungsunterstützungssysteme mithilfe von künstlicher Intelligenz für ein besseres Verständnis über die individuellen Ursachen der OSA, die damit verbundenen Gesundheitsrisiken und die bestgeeignete Therapie sorgen.

Darüber hinaus werden drei neue Methodenplattformen gefördert:

  1. GeMTeX: Das Projekt will medizinische Texte aus der Patientenversorgung in anonymisierter Form für die Forschung verfügbar machen. Dafür soll eine große annotierte Textsammlung deutscher medizinischer Texte aus der täglichen Patientenversorgung erstellt werden.
     
  2. PrivateAIM: Ziel ist es, eine föderierte Plattform für datenschutzgerechtes maschinelles Lernen und Datenanalytik für die MII zu entwickeln. Dabei sollen die Analysen zu den Daten kommen und nicht die Daten zu den Analysen.
     
  3. OMI: Die Methodenplattform für „Open Medical Inference“ (OMI) zielt darauf ab, die Nutzung von Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) zu vereinfachen, um zeitaufwendige und sich wiederholende Aufgaben in der Medizin zukünftig mit Methoden der KI durchzuführen. Um die Kliniken hinsichtlich der Pflege, Bereitstellung und des Betriebs von diversen KI-Modellen zu entlasten, etabliert das OMI-Projekt ein Netzwerk aus Nutzern und Anbietern von KI-Modellen, die ihre Modelle als „schlüsselfertige“ Dienste anbieten.
     

Use Cases der Ausbau- und Erweiterungsphase der MII in der Übersicht:

Klinische Use CasesTitelProjektlaufzeit
ACRIBiSAdvancing Cardiovascular Risk Identification with Structured Clinical Documentation and Biosignal Derived Phenotypes Synthesis01.04.2023 bis 31.03.2027
CALM-QECOPD and asthma: longitudinal and cross-sectoral real-world data for machine learning application for quality improvement and knowledge acquisition01.05.2023 bis 30.04.2027
EyeMaticsEye Disease "Treated" with Interoperable MI01.03.2024 bis 29.02.2028
INTERPOLARINTERventional POLypharmacy – drug interActions – Risks01.01.2023 bis 31.12.2026
PCORMIIPatient-Centered Outcomes Research with the MII01.03.2024 bis 29.02.2028
PM4OncoPersonalized Medicine for Oncology01.05.2023 bis 30.04.2027
RISK PRINCIPERISK Prediction for Risk-stratified INfection Control and Infection PrEvention01.07.2023 bis 30.06.2027
SomnolinkConnected sleep data and decision support along the patient path for better care of Obstructive Sleep Apnea01.03.2024 bis 29.02.2028
Methodenplattformen  
GeMTeX German Medical TeXt Corpus01.06.2023 bis 31.08.2026
OMIOpen Medical Inference Platform (MII)01.07.2023 bis 30.06.2027
PrivateAIM Privacy-Preserving Analytics in Medicine01.04.2023 bis 31.03.2027