Die Intensivmedizin ist ein Bereich der Medizin, in dem sehr große Datenmengen digital erhoben werden. Eine systematische, digitale Auswertung dieser Daten zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu spezifischen Erkrankungen findet heutzutage allerdings noch nicht statt. Durch Nutzung von künstlicher Intelligenz steckt in diesen Daten ein riesiges Potential, um damit die individuelle Patientenversorgung in der Intensivmedizin zu optimieren.

ASIC-App warnt vor akutem Lungenversagen

Use Case Asic © Uniklinik RWTH Aachen

Das akute Lungenversagen ist eine lebensbedrohliche Erkrankung mit einer Sterberate von bis zu 40 Prozent, bei der die Lunge den Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen kann. Obwohl die Vitalfunktionen dieser Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen engmaschig überwacht werden, wird die ARDS-Diagnose häufig gar nicht oder erst verspätet gestellt. Insbesondere frühe Stadien der Erkrankung werden in der Menge der anfallenden Datenwerte in der klinischen Praxis nicht erkannt. Das SMITH-Konsortium will medizinisches Personal darin unterstützen, die ersten Anzeichen solcher lebensbedrohlichen Komplikationen zuverlässig und früher zu erkennen.

Federführend durch das Universitätsklinikum Aachen wird in Zusammenarbeit mit den Universitätsklinika Bonn, Düsseldorf, Halle, Hamburg, Jena, Leipzig und Rostock im klinischen Anwendungsfall ASIC eine speziell dafür entwickelte Smartphone-App für iOS und Android-basierte Geräte implementiert, die Ärztinnen und Ärzte auf den beteiligten Intensivstationen bei der Diagnostik und Therapie des ARDS begleitet. Die ASIC-App gewährleistet eine kontinuierliche ARDS-Überwachung von Intensivpatienten sowie die Darstellung von Behandlungsleitlinien.

Prof. Gernot Marx © Innovationszentrum Digitale Medizin/UKA

„Ich bin überzeugt, dass die Daten im Use Case ASIC ein riesiges Potential haben, um mit den Mitteln der Künstlichen Intelligenz noch besser helfen und mehr Patienten zurück ins Leben holen zu können. Bei jedem Organversagen geht es letztlich darum Zeit zu gewinnen: je früher wir die Diagnose stellen, umso früher können wir eine leitliniengerechte Therapie einleiten und desto mehr Patientenleben können wir retten." 

Prof. Dr. Gernot Marx, FRCA                       2. Sprecher des SMITH-Konsortiums, Vorstandsvorsitzender Innovations-zentrum Digitale Medizin (IZDM), Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Universitätsklinikum RWTH Aachen

Potentiale klinischer Routinedaten nutzen

Darüber hinaus werden die auf den Intensivstationen in großen Mengen kontinuierlich erfassten Routinedaten genutzt, um ein „virtuelles Patientenmodell“ zu entwickeln. Das Modell soll verschiedene Gesundheitszustände von Intensivpatienten simulieren, deren Entwicklung prognostizieren und daraus resultierende Komplikationen wie das akute Lungenversagen vorhersagen. Ziel ist ein selbstlernendes Computersystem für die klinische Forschung und Ausbildung.

Zusätzlich zur ASIC-App und zum virtuellen Patientenmodell wird auch ein diagnostisches Expertensystem entwickelt, das basierend auf den klinischen Versorgungsdaten mittels maschinellem Lernen das Risiko eines potentiellen ARDS für einzelne Patienten quantifiziert. Für die Entwicklung dieses Systems wird die erste deutsche standortübergreifende, anonyme Forschungsdatenbank in der Intensivmedizin aufgebaut. Zusammen werden die ASIC-App und das diagnostische Expertensystem es ermöglichen, ARDS frühzeitiger zu diagnostizieren und eine optimierte Therapie einzuleiten. Dadurch sollen schwere Begleiterkrankungen wie beispielsweise Organdysfunktionen verhindert sowie die Aufenthaltsdauer von Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen und in Krankenhäusern insgesamt reduziert werden.