Berlin, 06.10.2022. Unter dem Motto „Vernetzen. Forschen. Heilen. Bilanz und Perspektive“ kamen beim Symposium der Medizininformatik-Initiative (MII) am 5. und 6. Oktober 2022 in Berlin mehr als 300 Teilnehmende aus Universitätsmedizin, Forschungspolitik, Verbänden und Patientenorganisationen zusammen. Höhepunkt der zweitägigen Veranstaltung war die Präsentation des Forschungsdatenportals für Gesundheit. Mit dem Portal steht nun ein zentrales Such- und Antragsportal für Forschende zur Verfügung, die Gesundheitsdaten der deutschen Universitätsmedizin für Ihre Forschung nutzen möchten. In der kommenden Förderphase der MII ab 2023 wird es unter anderem darum gehen, außeruniversitäre Stakeholder einzubinden und eine breite Akzeptanz für die Forschungsdatennutzung von Gesundheitsdaten in der Bevölkerung zu schaffen.
In der Auftaktrede des MII-Symposiums sagte Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, die MII habe sich bereits zur wichtigsten Kraft Deutschlands bei der Digitalisierung in der Gesundheitsforschung entwickelt. Diesen Schwung gelte es mitzunehmen in die nächste Förderphase. „Mit dem Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG) steht eine wichtige Instanz der Digitalstrategie für eine datengetriebene Medizin in Deutschland zur Verfügung. Das FDPG bietet erstmals die Möglichkeit, die verfügbaren Datenbestände aus der Versorgungsdokumentation aller deutschen Universitätskliniken über einen zentralen Zugang abzufragen und zu beantragen“, erläuterte Sebastian C. Semler, TMF-Geschäftsführer und Leiter der MII-Koordinationsstelle.
Möglich wird das, weil bundesweit im Rahmen der MII an den Universitätskliniken Datenintegrationszentren (DIZ) errichtet wurden. Diese Forschungsdateninfrastruktur wird der Wissenschaft ein breites Spektrum medizinischer Daten datenschutzkonform bereitstellen. Die Forschungsergebnisse sollen direkt in die Versorgung zurückfließen, damit Patientinnen und Patienten unmittelbar von den Erkenntnissen profitieren können. Die MII wird damit zum Motor einer nationalen dezentral-föderierten Forschungsdateninfrastruktur, wie sie im Koalitionsvertrag verankert ist.
Forschung und Versorgung zusammen denken
„In den Universitätsklinika werden von jeher Forschung und Versorgung zusammen gedacht. Erkenntnisse aus der Forschung fließen direkt in die Diagnose und Therapieentscheidungen ein und kommen dadurch schnell bei den Patientinnen und Patienten an. Daten, die an den Universitätsklinika für die Versorgung und die Forschung ständig und in großer Anzahl erhoben werden, können durch die von der Medizininformatik-Initiative geschaffene Infrastruktur unter den Universitätsklinika geteilt werden“, sagte Jens Bussmann, Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands e. V., mit der die TMF gemeinsam die Koordinationsstelle betreibt. Für viele medizinische Fragestellungen könne jetzt ein viel breiterer Datensatz genutzt werden, so Bussmann. „Im lernenden Gesundheitssystem von morgen müssen Gesundheitsversorgung und Forschung Hand in Hand gehen“, forderte auch die Keynote-Speakerin Dr. Katrin Crameri, Direktorin des Swiss Personalized Health Networks (SPHN). Das kann ganz neue Möglichkeiten und einen absoluten Mehrwert für das gesamte Gesundheitssystem schaffen. In der Schweiz wurde mit dem SPHN ein ähnlich gelagertes Netzwerk wie die MII geschaffen, welches vor ähnlichen Herausforderungen wie die MII in Deutschland steht.
Ergebnisse der ersten Förderphase
Das Symposium blickte weiterhin auf eine erfolgreiche erste Förderphase von 2018-2022 zurück: Neben dem Aufbau der DIZ an den universitätsmedizinischen Standorten bundesweit wurde ein standortübergreifender harmonisierter Kerndatensatz definiert, der beschreibt, welche Datensätze die DIZ für alle stationären Patientendaten mindestens vorhalten sollen. Zentrale rechtliche Voraussetzungen dafür sind ein deutschlandweiter Mustertext zur Patienteneinwilligung („Broad Consent“), der von allen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder akzeptiert wurde, sowie ein mit allen Justiziariaten der universitätsmedizinischen Standorte abgestimmtes Vertragswerk zur Nutzung von Patientendaten, Biomaterialien, Analysemethoden und -routinen im Rahmen der MII. Maßgeblich ist ebenfalls die Verwendung von internationalen Standards zum Datenaustausch wie die Einführung von SNOMED CT und das Voranbringen von FHIR und LOINC.
Vernetzung mit weiteren Initiativen und Akteuren
In der kommenden Förderphase von 2023-2026 steht nun die Vernetzung mit weiteren Initiativen wie dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM), der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und dem Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen (AKEK) im Mittelpunkt der MII. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Arbeit der MII von 2023-26 mit insgesamt 200 Mio. Euro. Die DIZ werden ab 2023 in das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) integriert und erhalten so eine langfristige Perspektive. Sie werden dabei aber weiterhin über die MII harmonisiert fortentwickelt. Auch regionale und ambulante Versorgungseinrichtungen sollen zukünftig in die MII-Infrastruktur eingebunden werden.
Paneldiskussion zum European Health Data Space
Zum Abschluss des MII-Symposiums wurden in einer Paneldiskussion die politischen Rahmenbedingungen für die Nutzung medizinischer Daten für die Forschung mit den Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek, MdB, und Ruppert Stüwe, MdB, sowie Delia Strunz, Johnson & Johnson, Prof. Dr. Friedrich Köhler, Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Sebastian C. Semler, TMF e. V., diskutiert. Die MII leistet mit ihrer Infrastruktur nicht nur national einen wichtigen Beitrag, sondern legt auch die Grundlagen für die Anbindung Deutschlands an den European Health Data Space (EHDS), erläuterte Sebastian C. Semler. Der Entwurf der EU-Kommission zum EHDS habe den Bedarf unterstrichen, Datennutzung europäisch zu denken. Dafür müssten wir in Deutschland die Grundlagen legen. Große Herausforderungen liegen jedoch noch in der Akzeptanz der Datennutzung. Es sei noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei der Ärzteschaft und bei Patientinnen und Patienten notwendig, wofür die Gesundheitsdaten genutzt werden und warum eine Datennutzung sinnvoll ist, waren sich die Panelisten einig. Auch der Datenschutz müsse lösungsorientierter und moderner gestaltet werden, so die Teilnehmenden.
Zum Video:
Pressekontakt:
Sophie Haderer, Wiebke Lesch, Tel.: 030 − 22 00 24 732, E-Mail: presse@tmf-ev.de
Hintergrund:
Ziel der Medizininformatik-Initiative (MII) ist es, Routinedaten aus der Patientenversorgung bundesweit digital zu vernetzen und für die medizinische Forschung verfügbar zu machen, um Krankheiten zukünftig schneller und effektiver behandeln zu können. Daran arbeiten alle Einrichtungen der Universitätsmedizin Deutschlands gemeinsam mit weiteren Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretern in den vier Konsortien DIFUTURE, HiGHmed, MIRACUM und SMITH.
In der Aufbau- und Vernetzungsphase (2018-2022) fördert das BMBF den Aufbau von Datenintegrationszentren an den Universitätskliniken mit über 200 Millionen Euro. Von 2023 bis 2026 soll die Zusammenarbeit zwischen den Universitätsmedizinstandorten ausgebaut und um neue Partner erweitert werden.
Ergänzend fördert das BMBF im Rahmen der MII sechs Digitale FortschrittsHubs Gesundheit mit rund 50 Millionen Euro (2021-2025). Ihre Aufgabe ist es, (zunächst in Pilotprojekten) die Pionierarbeit der Unikliniken in weitere Bereiche des Gesundheitssystems einzubringen: von der ambulanten Versorgung in Praxen bis zur Rehabilitation und Nachsorge. Zur Stärkung von Forschung und Lehre im Bereich der digitalen Gesundheit unterstützt das BMBF zudem neu eingerichtete Professuren mit insgesamt 21 Nachwuchsgruppen und stellt dafür rund 30 Millionen Euro bereit (2020-2026).
Für die nationale Abstimmung der MII ist eine Koordinationsstelle zuständig, die die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF) mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD) in Berlin betreibt.