Berlin, 26.03.2024. Um die Nutzung von Behandlungsdaten für die Forschung auf eine rechtlich abgesicherte und breite Basis zu stellen, unternehmen alle Standorte der Universitätsmedizin derzeit erhebliche Anstrengungen zur Implementierung des Broad Consent der Medizininformatik-Initiative (MII) in die Prozesse der Patientenversorgung. Das Gesetz zur Nutzung von Gesundheitsdaten zu gemeinwohlorientierten Forschungszwecken und zur datenbasierten Weiterentwicklung des Gesundheitswesens (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) schafft nun für einige Datennutzungsszenarien eine neue, einwilligungsfreie Rechtsgrundlage. Die feste Verankerung des Broad Consent der MII in der Universitätsmedizin bleibt allerdings unerlässlich, um das volle Potential der Daten- und Bioprobennutzung über alle angestrebten Nutzungsszenarien hinweg zu erhalten.

Neue Möglichkeiten der Verbundforschung

Für datenverarbeitende Gesundheitseinrichtungen sieht das GDNG in § 6 bestimmte Befugnisse für die einwilligungsfreie Sekundärnutzung von Behandlungsdaten u. a. zu Forschungs- und Qualitätssicherungszwecken vor. Dazu gehört neben den jetzt bundesweit einheitlich geltenden Erlaubnissen für die lokale Nutzung auch die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung der Behandlungsdaten durch öffentlich geförderte Zusammenschlüsse von datenverarbeitenden Gesundheitseinrichtungen einschließlich Verbundforschungsvorhaben und Forschungspraxen-Netzwerken. Voraussetzungen hierfür sind, dass die Interessen der verantwortlichen Einrichtungen die Interessen der betroffenen Patientinnen und Patienten erheblich überwiegen und die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde zustimmt. Während es für die Eigenforschung am Standort schon bisher in den meisten Bundesländern mehr oder weniger zufriedenstellende Regelungen im Krankenhausrecht gab, ist diese bundesweit aufgestellte Regelung für eine standortübergreifende Datennutzung neu und eröffnet gerade für die akademisch orientierte Verbundforschung neue Möglichkeiten. Darüber hinaus dürften auch die neuen Regelungen zur Bündelung der Datenschutzaufsicht in § 5 GDNG die Forschung im Rahmen solcher Verbünde vereinfachen, ohne das Datenschutzniveau dabei abzusenken. Somit stellt sich aber auch die Frage, für welche Anwendungsfälle diese Neuregelung gilt und für welche weiterhin Einwilligungen eingeholt werden müssen – mit all den damit verbundenen Aufwänden.

Bestehende Unklarheiten

Auch wenn sich durch das GDNG nun viele neue Möglichkeiten der Datennutzung ergeben, lassen sich einige Fragen zur Anwendbarkeit und Auslegung des neuen Gesetzes derzeit noch nicht im Detail beantworten. Insbesondere mit dem kommenden European Health Data Space (EHDS) sind zudem noch Anpassungen zu erwarten. Auch sind die Aufwände für die Abstimmung mit der zuständigen Datenschutzbehörde derzeit noch nicht bekannt, um das erhebliche Überwiegen des wissenschaftlichen Interesses gegenüber den Interessen der betroffenen Patientinnen und Patienten zu begründen. Es besteht die Notwendigkeit, zu all diesen Fragen zu schnellen und im Sinne der Forschung weitgehenden und positiven Klärungen zu kommen. Die MII gründet gemeinsam mit dem NUM und weiteren Stakeholdern zu diesem Zweck eine Taskforce, die abgestimmte Verfahren etablieren, offene rechtliche Fragen rund um das GDNG klären und gleichzeitig erste Erfahrungswerte zur Anwendung der Regelungen liefern soll.

Notwendigkeit der weiteren Einholung von Einwilligungen

Schon heute ist aber absehbar, dass die im GDNG enthaltene Regelung zur standortübergreifenden Nutzung der Behandlungsdaten nicht für alle relevanten Anwendungsszenarien geeignet ist, da spezifische Einschränkungen zu beachten sind:

  • Zunächst sieht die Erlaubnisregelung in § 6 Abs. 3 GDNG nur eine gemeinsame standortübergreifende Nutzung vor. Eine Herausgabe an eine eigenverantwortlich tätige externe Einrichtung könnte davon ggf. schon nicht mehr abgedeckt sein.
  • Zudem ist die gemeinsame Nutzung demnach auf öffentlich geförderte Zusammenschlüsse von datenverarbeitenden Gesundheitseinrichtungen beschränkt. Ein Teilen von Daten außerhalb solcher Zusammenschlüsse bzw. mit Einrichtungen, die nicht unter diese Definition fallen, da sie z. B. selbst keine datenverarbeitende Gesundheitseinrichtung nach § 2 Nr. 7 GDNG sind oder keine öffentliche Förderung erhalten, wird somit von dieser Regelung nicht gedeckt sein. Hiervon könnten viele Anwendungsfälle der Kooperation mit der Industrie, mit nicht behandelnden Forschungseinrichtungen und vor allem auch internationalen Partnern betroffen sein.
  • Gar nicht berücksichtigt ist im GDNG das Einlagern, Verarbeiten und Teilen von Bioproben zu wissenschaftlichen Zwecken.
  • Weiter fehlen Regelungen zu weitergehenden Datenarten, wie sie in den Einwilligungsdokumenten der MII modular ergänzt werden können oder für die Daten von Krankenkassen schon als Modul enthalten sind. Dies schließt auch Regelungen zur notwendigen, patientenbezogenen Verknüpfung dieser Daten mit den Behandlungsdaten mit ein.
  • Die Einwilligungsdokumente der MII bieten darüber hinaus umfangreiche Regelungen und Einwilligungsmöglichkeiten zur Re-Kontaktierung, die sich mangels Eingriffsmöglichkeit der Patientinnen und Patienten bei einer rein gesetzlich basierten Datennutzung in aller Regel nicht in derselben Form umsetzen lassen werden. Hierzu können künftig auch zielgerichtete Rekrutierungen von Patientinnen und Patienten gehören, die bestimmte notwendige Eigenschaften für einzelne Studienarme aufweisen und somit Studien als Grundlage z.B. der Präzisionsmedizin erlauben.

Empfehlung

Vor diesem Hintergrund empfehlen der Verband der Universitätsklinika (VUD), der MFT - Medizinische Fakultätentag, die TMF - Technologie- und Methodenplatttform für die vernetzte medizinische Forschung, das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) und die Medizininformatik-Initiative (MII), ergänzend zur Auslotung der neuen rechtlichen Möglichkeiten die weitere, möglichst flächendeckende Einholung des Broad Consent der MII mit den notwendigen Ressourcen weiter zu betreiben. Nur so schaffen wir gemeinsam die notwendige Voraussetzung für die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten der sekundären Nutzung von Gesundheitsdaten und Bioproben, die Grundlage der datenbasierten Weiterentwicklung des Gesundheitssystems sind.

Hierfür sollen die angebotenen Informationsmaterialien der MII, wie die Filme, Flyer und Poster, genutzt werden, um eine möglichst ressourcenschonende und effiziente Aufklärung der Patientinnen und Patienten an den Standorten zu erreichen. Nicht zuletzt bieten die mit allen Datenschutzbehörden in Deutschland abgestimmten Einwilligungsdokumente der MII eine langfristige und sehr offene Nachnutzungsmöglichkeit von Daten und Proben, so dass damit ggf. auch bestehende Einwilligungsformulare abgelöst werden können. Standortspezifische Tatbestände und korrespondierende Einwilligungsoptionen können ggf. modular in die Einwilligungsdokumente der MII integriert oder mit diesen verzahnt werden, so dass sich auch eine Chance für die Konsolidierung der Forschungseinwilligungen am Standort bietet.