19.12.2025. Wie unterstützt das Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG) der Medizininformatik-Initiative die Forschung von Clinician Scientists und anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern? Ein Gespräch mit dem Datenwissenschaftler M.sc. Kai Günter vom Institut für medizinische Datenwissenschaften des Universitätsklinikums Würzburg.
1. Warum sind das FDPG und die dort verfügbaren Daten für Ihre Forschung besonders wertvoll?
Das Forschungsdatenportal Gesundheit (FDPG) bietet die Möglichkeit, Routine-Daten von allen deutschen Universitätskliniken zu nutzen. Das FDPG bietet einen enormen Datenschatz, der es Forschende mit verschiedenen Hintergründen ermöglicht, viele relevante Forschungsfragen mit einer umfassenden Datenbasis anzugehen. Dabei ist nicht nur der Datenzugang relevant, auch die Unterstützung bei der Organisation der Datennutzung ist besonders hilfreich. So wird durch das FDPG ein Großteil der Organisation mit den Standorten und der Regulatorik übernommen, was den Prozess für Forschende deutlich erleichtert.
2. Welche wissenschaftlichen Fragestellungen standen im Zentrum Ihres Projektes ACRIBIS?
Im Rahmen des ACRIBiS-Projekts wird ein zweistufiges Datennutzungsprojekt durchgeführt. In einem ersten Schritt wurde zunächst untersucht, ob die Informationen für die Berechnung von kardiovaskulären Risikoscores (SMART, BCN-Bio/MAGGIC, CHA2DS2Vasc) grundsätzlich vorhanden sind. Dadurch konnte gezeigt werden, dass einige Risikoscores bereits berechnet werden können und bei anderen nur wenige Informationen fehlen. In einem zweiten Schritt sollen diese Informationen nun extrahiert werden, um die kardiovaskulären Risikoscores auch tatsächlich zu berechnen und die Datenqualität beurteilen zu können.
3. Wie hat die Medizininformatik-Initiative Ihre Forschung konkret unterstützt?
Die Medizininformatik-Initiative hat den Zugang zu den Daten ermöglicht und in Form des FDPG die organisatorische Abwicklung sowie die vertraglichen Rahmenbedingungen übernommen, was eine große Hilfe ist. Außerdem war das Team des FDPG stets bereit, offene Fragen zu klären und Unklarheiten zu adressieren. Die Beratungsplattform EVA4MII hat die Konzeptionierung und Durchführung des Datennutzungsprojekt maßgeblich unterstützt. Ohne die im Beratungsteam vorhandenen Expertisen wäre die Umsetzung kaum möglich gewesen. Die Unterstützung reichte dabei von Hintergrundinformationen zum Aufbau des KDS bis hin zu Hinweisen bei der Programmierung des Auswertungsskripts.
Als klinischer Use Case der MII ist es für ACRIBiS wichtig, die gemeinsamen Infrastrukturen der MII wie das FDPG und EVA4MII zu nutzen. Das hilft nicht nur dem ACRIBiS-Projekt, sondern ermöglicht auch den Infrastrukturen praktische Erfahrungen, wodurch sich diese Infrastrukturen weiterentwickeln können. Beispielsweise konnte durch die Entwicklung eines Kerndatensatzmoduls im ACRIBiS-Projekt das Datenangebot um wichtige kardiologische Parameter erweitert werden.
4. Gab es Herausforderungen, mit denen Sie konfrontiert waren?
Die größte Herausforderung war es, die Struktur der Daten und den Zugang dazu zu verstehen. Die einzelnen Items des Kerndatensatzes mussten mithilfe der Implementation Guides identifiziert werden. Diese Dokumentation ist jedoch nicht primär für Forschende ausgelegt und nicht ganz leicht verständlich. Daraus ergeben sich bei der Skripterstellung immer wieder kleine Hürden.
Hinzu kommt, dass der Kerndatensatz lediglich eine Datenstruktur vorgibt, die Umsetzung an den verschiedenen Standorten und die Qualität der Daten jedoch stark variieren kann. So sind nicht nur Tests am eigenen Standort nötig, sondern auch Anpassungen beim Verteilen an weitere beteiligte Standorte unvermeidbar.
Durch die Unterstützung des FDPG-Teams bei der Datenstruktur und das Bemühen der Standorte die Analyseskripte zum Laufen zu bringen, lassen sich diese Hindernisse jedoch bewältigen.
5. Welche Tipps würden Sie (anderen) Clinician Scientists und Forschenden geben?
Für die Konzeptionierung des Forschungsvorhabens kann ich die Beratungsangebote von FDPG und EVA4MII nur empfehlen. Das Beratungsteam hat bereits viel Erfahrung mit den Prozessen und Daten gesammelt und kann dabei helfen viele der Fehler zu vermeiden. So kann auf bereits vorhandenes Wissen zurückgegriffen werden und die Forschenden müssen nicht alles von Beginn an neu entwickeln.
Für die erfolgreiche Durchführung des Forschungsvorhabens ist es essentiell, ein multidisziplinäres Team zur Verfügung zu haben. Neben klinischer und methodischer Expertise ist besonders ein guter Austausch mit einem Datenintegrationszentrum (zum Beispiel dem lokalen DIZ am eigenen Standort, sofern vorhanden) hilfreich. Solange es keine umfassende und realitätsnahe Beispieldaten frei verfügbar sind, ist der beste Weg in der Skripterstellung immer wieder an den Daten des eigenen Standorts zu testen.
6. Was würden Sie sich für die Weiterentwicklung des FDPG wünschen, um Forschungsprojekte künftig noch stärker zu erleichtern?
Für die Entwicklung von Forschungsfragen wäre es sehr hilfreich, die Befüllungsgrade verschiedener Datenelemente bereits im Machbarkeitsportal sehen zu können (aktuell nur Fragezeichen). Damit kann zum einen eingeschätzt werden, wie verfügbar bestimmte Datenelemente sind um zu beurteilen ob sie für die Auswertung relevant sind. Zum anderen kann identifiziert werden welche Codesysteme Verwendung finden. Dadurch kann vermieden werden, dass relevante Daten durch die Auswahl des falschen Codes oder Codesystems nicht ausgeleitet werden.
Für die Auswertungsskripte (verteilte Analysen) wäre es sehr hilfreich auf Beispiele zurückgreifen zu können. Diesbezüglich gibt es durch die zunehmende Zahl der Datennutzungsprojekte bereits einige Fortschritte. Ein weiterer Aspekt in dieser Hinsicht sind Beispieldaten. Ein Server mit umfangreichen Beispieldaten (Einträge zu möglichst allen Codes und mit vielen Referenzen) würde es Forschenden erlauben, einen Großteil der Skripte selbst zu testen und viele Fehler vor dem Versand an ein DIZ auszubessern. Das reduziert gerade auf Seiten der DIZ den Arbeitsaufwand.