MII-Initiative

Medizininformatik Initiative - Modul Fall - ImplementationGuide

Beschreibung von Szenarien für die Anwendung des Moduls FALL

Die Modellierung und die FHIR-Profilierung der Basismodule des MII Kerndatensatzes einschließlich des Moduls FALL zielen darauf, möglischst generische Informationsmodelle für ein breites Spektrum von Anwendungsszenarien zu erzeugen. Prioritäre Berücksichtigung haben die konsortialen Use Cases der vier Konsortien der Medizininforamtik-Initiative (MII) DIFUTURE, HiGHmed, MIRACUM und SMITH und der beiden transkonsortialen Verbundvorhaben CORD-MI und POLAR-MI gefunden. Einen großen einfluss auf die Gestaltung hat auch gehabt, dass die digital gespeicherten (oder zu speichernden) Patientendaten aus den Versorgungsprozessen in den beteiligten 34 Universitätsklinika die wesentliche Grundlage der Medizininformatik-Initiative bilden.

Zum Modul FALL:

Die in den Krankenhausinformationssystemen als wichtigster Datenquelle der MII erfassten Versorgungsdaten sind stets Person- und Fall-bezogen. Jede Querschnittbetrachtung betrachtet Fälle (mit unterschiedlicher Länge). Und fast jede Längsschnittbetrachtung fußt auf der Aneinanderreihung von Fällen.

In MII-Use Cases mit Feasibility-Studien werden Fälle gezählt. Die Entdeckung von Wissen in Daten beruht auf Falldaten und die Anwendung von Wissen auf Patienten (Decision support) zielt auf konkrete Fälle. In Tumorboards werden Fälle vorgestellt und bei der Infektionskontrolle werden nosokomiale Infektionen bei Fällen bekämpft.


Beispiele des einfachen Aufbaumodells

Als der einfachste und zugleich eine der häufigen Varianten des Aufenthaltes im Krankenhaus kann die Versorgung durch eine bettenführende Abteilung wie „Klinik für Innere Medizin“, bei der der größte Teil von Untersuchung und Behandlung durch den Stationsdienst der Klinik umgesetzt werden.

Die Inanspruchnahme des Ärztlichen Stationsdienstes der Klinik für Innere Medizin mit einem Beginndatum und einem Enddatum definiert den „stationären Aufenthalt des Patienten in der Einrichtung, der in FHIR durch die Ressource Encounter abgebildet wird."

Die Aufenthaltsdauer beziehungsweise die zeitliche Länge des Versorgungstellenkontaktes (in der Versorgungsstelle als Organisationseinheit), des Abteilungskontaktes in der Fachabteilung und des Einrichtungskontaktes kann einfach als Differenz zwischen Enddatum und Beginndatum ermittelt werden. Bei der Berechnung der „offiziellen“ Verweildauer oder der „offiziellen“ Belegungstage sind eventuell abweichende Regeln zu beachten; dies kann man aber auf den hier nicht beschriebenen Abrechnungsfall zur selben Aufnahmenummer (Fallnummer) verlagern.

Die tragende Säule des einfachen Aufbaumodells ist das Versorgungsstellenkontakt, das den Kontakt der Patienten zu ausgewählten fachabteilungsbezogenen Versorgungseinheiten mit der Angabe von Beginn und Ende beschreibt. Implizit sind dadurch auch die Kontakte zu Fachabteilungen (Abteilungskontakte) und zur Einrichtung (Einrichtungskontakte) dargestellt. Der Einrichtungskontakt sollte gleichwohl parallel berücksichtigt werden.

Diese Hierarchie ist für diese einfache, aber häufige Konstellation mit nur einem Versorgungsstellenkontakt in der folgenden Abbildung wiedergegeben:

Hierbei beschreibt der Einrichtungskontakt den Kontakt zur Einrichtung KH Berolina. Dieser ist bestimmt durch den Behandlungsvertrag. Der Einrichtungskontakt enthält den Abteilungskontakt. Der Abteilungskontakt beschreibt den Kontakt zur Abteilung Chirurgie. Dieser ist bestimmt durch die Übertragung der Verantwortung von der Einrichtung KH Berolina auf die Abteilung Chirurgie. Der Abteilungskontakt enthält den Versorgungsstellenkontakt stationäre Versorgung Chirurgie. In den Versorgungsstellen (Stationsdienst, OP-Dienst, Untersuchungslabor, Ambulanz) findet die eigentliche Versorgung statt.

Das nächste Beispiel gibt ebenfalls eine gängige Form des Aufenthalts in einem Krankenhaus wieder, die aus drei (Haupt-)Versorgungsstellenkontakten besteht.

Der Einrichtungskontakt beginnt mit einem normalmedizinischen Aufenthalt auf einer Normalstation (=Versorgungsstelle) eines schneidenden Faches (=Abteilung, z.B. Klinik für Chirurgie, Fachrichtung Allgemeinchirurgie, 1500). Es folgt ein intensivmedizinischer Aufenthalt auf einer Intensivstation (=Versorgungsstelle) einer Intensivabteilung (z.B. Klinik für Intensivmedizin und Anästhesiologie, Fachrichtung Intensivmedizin, 3600). Der Einrichtungskontakt wird abgerundet durch einen in normalmedizinischen Aufenthalt auf einer Normalstation (=Versorgungsstelle) derselben Fachabteilung wie am Anfang (=Abteilung, z.B. Klinik für Chirurgie, Fachrichtung Allgemeinchirurgie, 1500). Es ergibt sich ein Einrichtungskontakt mit drei Abteilungskontakten und drei Versorgungsstellenkontakten.


Zu den Szenarien der Konsortien im Einzelnen:

  • DIFUTURE: Der DIFUTURE-Ansatz ist durch Anwendungsszenarien (Use-Cases) bestimmt, die mit konkreten Krankheitsbildern verknüpft sind. Der Fokus liegt auf den neurologischen Krankheitsentitäten Multiple Sklerose und Parkinson Disease, aber auch auf onkologischen und kardiologischen Indikationen. Multiple Sklerose und Parkinson Disease zeichnen sich durch jahrelange, leider meist progrediente Verläufe aus. Auch sektorenübergreifende Aspekte spielen eine Rolle. Demzufolge steht der Patientenbezug im Vordergrund, aber auch die den Behandlungsepisoden mit Fallbezug zuordenbaren Daten. Der Fallbezug ist eine wichtige Zuordnungsgröße für die meist jahrelangen Krankheitsverläufe und den damit assoziierten therapeutischen Bemühungen. Alle im Modul Fall spezifizierten Parameter sind für DIFUTURE relevant.

  • HiGHmed: Im Rahmen von HiGHmed werden grundsätzlich patientenbezogene Daten in den MeDICs integriert. Dabei fallen aber viele Daten, die im Rahmen der Dokumentation einen Bezug zu einem Abrechnungsfall haben, an. Dazu gehören unter anderem Diagnosen, Prozeduren, aber auch Bewegungen.

  • MIRACUM: Grundsätzlich werden die meisten medizinischen Fragestellungen auf Behandlungsfälle bzw. ihre Dauer oder Sequenz bezogen. Im Konsortium MIRACUM ist daher der Behandlungsfall in allen drei bearbeiteten Use Cases ein zentrale Bezugsgröße. Auch in den veröffentlichten Analysen zur Therapie von Schlaganfällen oder bei COVID-19 Patienten werden Ergebnisse auf Behandlungsfälle bezogen.

  • SMITH: SMITH will den Mehrwert dieser Datennutzung an einem methodischen und zwei klinischen Use Cases demonstrieren. Im methodischen Use Case „Phenotype pipeline (PheP)“ entwickelt SMITH innovative datenanalytische Methoden und Werkzeuge, die aus elektronischen Patientenakten automatisiert medizinische Informationen gewinnen. Im klinischen Use Case „Algorithmische Surveillance (ASIC)“ wird das Ziel verfolgt auf Intensivstationen Patienten-Management-Systeme kontinuierlich auszuwerten, um den Zustand der Patientinnen und Patienten automatisiert zu überwachen, um so ein schnelleres therapeutisches Eingreifen zu ermöglichen. Der klinische Use Case „Hospital-wide ELectronic medical record evaluated computerised decision support system to improve outcomes of Patients with staphylococcal bloodstream infection (HELP)“ fokussiert auf die elektronische Unterstützung beim leitliniengerechten Einsatz von Antibiotika zur frühzeitigen zielgerichteten Bekämpfung bakterieller Infektionen. Alle im Modul Fall spezifizierten Parameter sind für SMITH relevant.

  • CORD-MI: Im Konsortien-übergreifenden Verbundvorhaben CORD-MI spielt die Sichtbarmachung der Seltenen Erkrankungen durch Differenzierung der Diagnosen eine zentrale Rolle. Da die Diagnosen im Versorgungskontext fallbezogen erhoben werden, stellen die Versorgungsfälle eine wichtige Zuordnungsgröße dar.

  • POLAR-MI: Im Konsortien-übergreifenden Verbundvorhaben POLAR-MI „POLypharmazie, Arzneimittelwechselwirkungen und Risiken“ wird ein Beitrag zur Detektion von Gesundheitsrisiken bei Patientinnen und Patienten mit Polymedikation geleistet. Da Diagnosen, Verordnungen von Medikationen und Laborparameter im Versorgungskontext fallbezogen erhoben werden, stellen die Versorgungsfälle eine wichtige Zuordnungsgröße dar.