Was sind genetische Daten?

Bei den allermeisten Lebewesen ist die Erbinformation in der Desoxyribonukleinsäure (kurz: DNA) gespeichert, einem winzigen Molekül, das sich im Kern jeder Körperzelle befindet. DNA kann man sich als die Aneinanderreihung von Buchstaben eines Alphabets mit nur vier Buchstaben vorstellen: T, C, A und G. Die genaue Abfolge der Buchstaben - beim Menschen sind es jeweils über drei Milliarden pro Zelle - entscheidet darüber, wie sich ein Organismus entwickelt, und bestimmt während seines Lebens alle wichtigen Körperfunktionen.

Wird diese Abfolge der Buchstaben im Labor für eine Person ganz oder in Teilen ermittelt und gespeichert, so spricht man von den „genetischen Daten“ dieser Person. Genetische Daten werden aus biologischem Material wie z.B. einer Blut- oder Speichelprobe gewonnen und geben bei korrekter Interpretation Auskunft über die ererbten und erworbenen genetischen Eigenschaften der Person, von der die Probe stammt.

Was unterscheidet genetische Daten von anderen medizinischen Daten?

Daten über ererbte genetische Eigenschaften können auf die Veranlagung für bestimmte Krankheiten hinweisen, noch bevor es sichtbare Anzeichen für diese Krankheiten gibt. Da die Erbinformation (fast) unverändert von Generation zu Generation weitergegeben wird, erlaubt diese Art genetischer Daten unter Umständen auch Rückschlüsse auf gleiche oder ähnliche Veranlagungen bei Blutsverwandten. Mit Ausnahme eineiiger Zwillinge hat jeder Mensch eine einzigartige DNA, so dass Informationen zu ererbten genetischen Eigenschaften ab einem gewissen Umfang mit einem Fingerabdruck vergleichbar sind: Mit entsprechendem Aufwand erlauben diese Daten die eindeutige Identifizierung der zugehörigen Person. Im Gegensatz zum klassischen Fingerabdruck ist sogar eine Zuordnung der Daten zu einem engen Blutsverwandten der Person möglich.

Demgegenüber sind die erworbenen genetischen Eigenschaften einer Person nur in den Körperzellen dieser Person nachweisbar, nicht aber z.B. in den Körperzellen ihrer Blutsverwandten. Mit wenigen Ausnahmen werden erworbene genetische Eigenschaften auch nicht an die Nachkommen einer Person vererbt. In der Medizin interessieren sich Forscherinnen und Forscher besonders für solche erworbenen genetischen Eigenschaften, die in den Tumorzellen von Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankung vorliegen und die Auskunft über die Ursache und den wahrscheinlichen Verlauf der Erkrankung geben können. Zudem ist die Kenntnis der erworbenen genetischen Eigenschaften des Tumors für viele Krebsformen schon heute hilfreich bei der Auswahl einer geeigneten Therapie.

Welche Rolle spielen genetische Daten in der Medizininformatik-Initiative?

Die Medizininformatik-Initiative hat die Aufgabe, Behandlungsdaten von Patientinnen und Patienten an deutschen Universitätskliniken für die medizinische Forschung aufzubereiten und bereitzustellen. Dazu können auch genetische Daten gehören, weil genetische Informationen bei der medizinischen Versorgung von Menschen eine immer wichtigere Rolle spielen. Voraussetzung hierfür ist jedoch die erfolgreiche Forschung mit genetischen Daten von möglichst vielen erkrankten Personen. Mit den dadurch gewonnenen Erkenntnissen gelingt es in der Tat immer häufiger, die individuelle Behandlung von Patientinnen und Patienten besser zu steuern, z.B. bei Krebserkrankungen. Außerdem helfen genetische Daten vielen Betroffenen und ihren Familien beim Umgang mit seltenen, meistens nicht heilbaren Erbkrankheiten. Auf anderen Gebieten ist die medizinische Versorgung hingegen noch nicht so weit. Dort besteht jedoch die Hoffnung, dass die Forschung mit genetischen Daten bald in ähnlicher Weise dazu beitragen wird, die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten besser zu verstehen und mit diesem Wissen neue Methoden der Diagnose und Behandlung zu entwickeln.

Was passiert mit genetischen Forschungsergebnissen, die für Einzelpersonen gesundheitlich relevant sein könnten?

In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass Forscherinnen und Forscher bei ihrer Arbeit auf Auffälligkeiten in den genetischen Daten einer einzelnen Person stoßen, die für die Gesundheit dieser Person oder die Gesundheit ihrer Blutsverwandten von Bedeutung sein könnten. Ob und, wenn ja, wie eine genetische Auffälligkeit im konkreten Fall mitgeteilt wird, hängt primär von der vorangegangenen Aufklärung der betroffenen Person und dem Wortlaut ihrer Einwilligung ab. Nur für den äußerst seltenen Fall, dass eine Mitteilung die Abwehr einer schweren und unmittelbaren gesundheitlichen Bedrohung erlauben würde, ist unabdingbar die Rückmeldung durch eine Ärztin oder einen Arzt vorgesehen. Dessen ungeachtet erweist sich die Entscheidung für oder gegen eine Mitteilung selbst bei vorheriger Zustimmung der betroffenen Person oftmals als schwierig. Sie wird daher nur nach erneuter Überprüfung der Auffälligkeiten im Labor und nach Abwägung der Vor- und Nachteile durch Ärztinnen und Ärzte getroffen, die hierfür besonders ausgebildet sind.

Welche Risiken können durch den Umgang mit genetischen Daten entstehen?

Da die Erbinformation des Menschen einmalig ist (mit Ausnahme eineiiger Zwillinge), können genetische Daten einfacher als andere medizinische Daten der zugehörigen Person oder gar einem Blutsverwandten zugeordnet werden, selbst wenn die Daten ohne direkt identifizierende Daten wie etwa Namen oder Adressen vorliegen. Diese Möglichkeit einer unberechtigten Zuordnung besteht insbesondere dann, wenn die Person schon selbst umfangreiche genetische Daten von sich preisgegeben und z. B. zur Ahnenforschung im Internet veröffentlicht hat. Im Vergleich zu Laborwerten oder Röntgenbildern bergen genetische Daten somit ein erhöhtes Risiko der Re-Identifizierung zum Schaden der Patientinnen und Patienten, z.B. wenn kritische genetische Informationen zu deren Arbeitgebern oder Versicherungen gelangen.

In Deutschland verbietet das Gendiagnostikgesetz (GenDG) eine Benachteiligung von Personen aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften. Insbesondere dürfen Arbeitgeber und Versicherungen niemanden aus genetischen Gründen schlechter- oder besserstellen als andere. Einzige Ausnahme (§ 18 GenDG): Versicherungen ist es erlaubt, genetische Daten aus vorangegangenen medizinischen Untersuchungen zur Risikobewertung zu verwenden, wenn die fragliche Versicherungssumme einen bestimmten Wert (derzeit 300.000 €) überschreitet. Das Vorliegen einer entsprechenden genetischen Veränderung kann also dazu führen, dass eine Versicherung in darüberhinausgehender Höhe nicht mehr abgeschlossen werden kann.

Das GenDG gilt zwar nur für genetische Daten aus der Krankenversorgung. Da aber gerade Versorgungsdaten im Zentrum der Arbeit der Medizininformatik-Initiative stehen, bietet das GenDG an dieser Stelle einen weitgehenden Schutz vor dem Missbrauch genetischer Daten. Für Daten, die zu Forschungszwecken erzeugt werden, hat das GenDG keine Gültigkeit. Deren Missbrauch muss durch technische und organisatorische Maßnahmen verhindert werden, auf die im folgenden Absatz eingegangen wird.

Wie werden genetische Daten in der Medizininformatik-Initiative geschützt?

Wegen ihrer Besonderheiten werden genetische Daten in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, die seit 2018 geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten ist, für „besonders schutzwürdig“ erklärt (DSGVO Art. 9). Für den Umgang mit genetischen Daten, d.h. für ihre Erzeugung, Speicherung, Weitergabe und Nutzung gelten daher europaweit strenge Regeln.

Genetische Daten werden in der Krankenversorgung und der medizinischen Forschung in Deutschland in Datenbanken gespeichert, deren Zugang besonders streng gesichert ist. Eine Herausgabe der Daten ist nur an solche Forschungseinrichtungen erlaubt, die den Anforderungen der DSGVO genügen. Das Prinzip der Datenminimierung der DSGVO schreibt außerdem vor, dass für die Forschung nicht notwendige Daten wie etwa die Namen und Adressen der Patientinnen und Patienten möglichst früh entfernt und durch Zahlen- oder Buchstabenschlüssel ersetzt werden, die für sich genommen keine Rückschlüsse auf die zugehörige Person mehr zulassen (Codierung). Genetische Daten aus den Datenbanken der Medizininformatik-Initiative werden sogar doppelt codiert, d.h. die Zahlen- oder Buchstabenschlüssel aus der Datenbank werden bei Herausgabe an Forschungseinrichtungen durch neue Zahlen- oder Buchstabenschlüssel ersetzt. Nur ein sehr kleiner Personenkreis ist danach unter strengen Auflagen berechtigt und in der Lage, die genetischen Daten wieder mit den zugehörigen Patientinnen und Patienten in Verbindung zu bringen.

Die Medizininformatik-Initiative unternimmt große Anstrengungen, um alle medizinischen und persönlichen Daten zu schützen, für die sie Verantwortung übernommen hat. Genetische Daten verdienen wegen ihrer Besonderheiten besonderen Schutz, und die Medizininformatik-Initiative fühlt sich dieser besonderen Anforderungen in höchstem Maße verpflichtet.